Ab auf die Weide
Sobald die Temperaturen steigen und das Gras saftig grün ist, heißt es für die 50 Milchkühe auf dem Großrachlhof: Ab auf die Weide.
Warum das sowohl den Tieren guttut als auch Natur und Mensch davon profitieren, erklärt Naturland-Bauer Jakob Sichler. Der Großrachlhof, einer der ältesten Erbhöfe Bayerns, liegt südlich vom Chiemsee. Weite Felder. Blühende Wiesen. Und im Hintergrund das Alpenpanorama. Jakob Sichler führt seit 2018 den Hof zusammen mit seiner Frau Mirjam in der 17. Generation. Die 18. ist schon geboren. „Uns zeichnet eine sehr lange Familientradition aus. Seit fast 600 Jahren ist der Hof im Besitz der Sichlers. Für mich war von Anfang an klar, dass ich ihn weiterführen möchte“, erzählt Jakob.
Bereits im Alter von fünf Jahren wusste er: „Ich will Bauer werden“ und damit in die Fußstapfen des Vaters und Großvaters treten. Vater Josef, der auch nach der Übernahme seinem Sohn mit Rat und Tat zu Seite steht, freut das: „Er ist von klein auf in das Leben und Arbeiten am Hof reingewachsen und ich habe ihm auch schon frühzeitig Verantwortung gegeben. So hat das mit der Hofübergabe optimal geklappt. Und wir sind einfach ein richtig gutes Team“, schwärmt der Altbauer. Letzteres zeigte sich insbesondere 2009: Gemeinsam haben Jakob und Josef eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen: Die Umstellung auf Bio. „Uns für die ökologische Wirtschaftsweise zu entscheiden war von Herzen klar, aber von der Arbeitsweise hatte ich es ganz anders gelernt. Heute reut mich nur, dass wir diesen Schritt nicht schon früher gewagt haben“, erzählt Josef und ergänzt „Bei der Entscheidung für Bio haben wir uns schnell für die Mitgliedschaft im Bio-Verband Naturland entschieden. Hier haben wir fachliche Beratung bekommen und auch gute Chancen für den Absatz unserer Milch.“ Seitdem die Sichlers nach den strengen Richtlinien des Bio-Verbands Naturland arbeiten, hat sich einiges geändert.
„Seit wir ökologisch wirtschaften, gehen unsere Kühe wieder auf die Weide.“
Kühe auf der Weide sind heute keine Selbstverständlichkeit mehr: Etwa die Hälfte aller Milchkühe Deutschlands sieht in ihrem Leben kein einziges Mal eine Weide. Bei Naturland ist Weidehaltung allerdings verpflichtend in den öko-sozialen Richtlinien vorgegeben. Die Molkerei Berchtesgadener Land, an die Familie Sichler die Bio-Milch liefert, fördert Weidhaltung für die konventionellen Mitglieder in der Genossenschaft mit einer extra Prämie. „Reine Stallhaltung ist für uns nicht mehr vorstellbar. Denn wir haben schnell gemerkt: Den Kühen geht es auf der Weide besser“, erzählt der junge Landwirt. Das könne man sowohl an der gepflegten Optik und ihrem vitalen Verhalten erkennen, als auch daran, dass sie von alleine gesund kalben. Das sei im Konventionellen anders gewesen. Weniger Platz und damit mehr Stress im Stall haben sich auf die Tiere ausgewirkt und zu Komplikationen beim Kalben geführt. Jetzt haben die Kühe auf dem Großrachlhof richtig viel Platz – auf der Weide und im Stall. Rangkämpfe und andere Stresssituationen sind passé.
„Es geht darum im Einklang mit der Natur zu arbeiten, nicht gegen sie.“
Naturverträglich arbeiten heißt für den Naturland Landwirt in Kreisläufen zu denken und zu arbeiten. „Damit es unseren Kühen gut geht, brauchen wir einen gesunden Boden. Denn dieser ist Voraussetzung für artenreiche Wiesen. Für die Kuh ist es wichtig, diese Vielfalt an Gräsern und Kräutern zu haben, die nicht alle gleich schmecken und die gleichen Vitalstoffe liefern – genau wie wir Menschen eben auch nicht jeden Tag das Gleiche essen wollen. Und wenn es den Kühen schmeckt, dann entsteht beste Milch“, erklärt Jakob. Übrigens: Forscher:innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben herausgefunden, dass eine solche kräuterreiche Fütterung den bei der Verdauung entstehenden natürlichen Methanausstoß der Kühe reduziert.
Und Weidehaltung hat weitere positive Effekte auf unsere Umwelt: Durch die Tritte und Bisse der Tiere wird das Gras- und Wurzelwachstum angeregt. Das fördert die Humusbildung und sorgt für fruchtbare Böden, die große Mengen CO2 speichern können. Außerdem verbessert sich dadurch das Wasserhaltevermögen der Böden – sie können also Wasser besser aufnehmen und sind unter anderem für Wetterextreme besser gerüstet. Durch die Weidehaltung schaffen Sichler Junior und Senior also nicht nur einen Mehrwert für ihre Kühe, sondern auch für Natur und Mensch. Belohnt wird das von der Molkerei Berchtesgadener Land: Die Genossenschaftsmolkerei und Naturland Fair Partner der ersten Stunde zahlt einen fairen und überdurchschnittlichen Milchpreis und ermöglicht es Landwirten wie Jakob tiergerecht und naturverträglich zu arbeiten. So sieht „öko fürs wir“ – das Leitmotiv von Naturland – aus!