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Gin, Trüffel und Rinderfilet – edler geht bio nicht

Auf der Domäne Homburger Hof arbeiten Guts-Verwalter Christoph Weeber und sein Team nach der Philosophie „Ehrlich. Natürlich. Gut.“

Januar | 2022
Bildrechte: © Domäne Homburger Hof

Die ehemalige fürstliche Domäne ist ein Relikt aus längst vergangener Zeit, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. 2009 weckten neue Eigentümer sowie allen voran Guts-Verwalter Christoph Weeber das beeindruckende Anwesen, die heutige Domäne Homburger Hof, aus dem Dornröschenschlaf. Ein gutes Jahrzehnt später hat sich der vielseitige Betrieb, auf dem nach den strengen Richtlinien des Bio-Verbandes Naturland gearbeitet wird, im baden-württembergischen Grosselfingen zu einem Vorzeige- und Lehrbetrieb der besonderen Art entwickelt.

„Wir haben uns damals gedacht, solch ein Betrieb darf einfach nicht ungenutzt bleiben“, erzählt Christoph Weeber. So wechselte der heute 40-Jährige von seinem ersten Lehrberuf des IT-Elektronikers in die Lebensmittelproduktion, absolvierte eine landwirtschaftliche Ausbildung und bildete sich 2009 zum Landwirtschaftsmeister im ökologischen Landbau weiter.

„Meine Liebe zur Natur, den Tieren und modernen Landtechnik waren entscheidend für meinen beruflichen Neuanfang.“

Auf die Unterstützung seines engagierten Teams kann sich Christoph Weeber (links) immer verlassen.
Auf die Unterstützung seines engagierten Teams kann sich Christoph Weeber (links) immer verlassen.

Diese Neugier, Vielseitigkeit und eine ausgeprägte Hands-on Mentalität spiegeln sich auch auf dem Naturland Betrieb wider. Auf mittlerweile ca. 200 Hektar Land rund um die Domäne kümmern sich Weeber und sein 6-köpfiges Team um knapp 200 Rinder der seltenen Rasse Salers, etwa 2.500 Legehennen in fünf mobilen Ställen, dazu 140 Hektar Ackerbau und Forstwirtschaft. Neu auf dem Hof sind 56 Schweine, in dem von ihm geplanten und neu gebauten Maststall. In den kommenden Monaten werden es noch mehr werden.

Dank der Unterstützung von Naturland kann der Allrounder den Betrieb nach und nach vergrößern und immer wieder neue Projekte wie die Schweinemast umsetzen.

„Wir haben uns vor vielen Jahren für Naturland entschieden, da das unsere Lebens- und Arbeitsweise untermauert“, erklärt der begeisterte Bio-Landwirt: „Gerade bei der Vielzahl der Betriebszweige auf unserem Hof ist ein solch breit aufgestellter Verband mit all seinen Fachberatern, den Kontakten zu anderen Landwirten sowie der Unterstützung bei der Vermarktung einfach goldrichtig.“

Die Rasse Salers gehört zu den ältesten Rinderrassen Frankreichs.
Die Rasse Salers gehört zu den ältesten Rinderrassen Frankreichs.

„Die Verlässlichkeit und Unterstützung von Naturland gibt uns die Freiheit, uns weiterzuentwickeln.“

Wie so manch anderer landwirtschaftlicher Betriebszweig entwickelte sich auch die Entscheidung zur Gin-Herstellung in der Hof-eigenen Brennerei eher spontan: Eine Destillerie in der Nachbarschaft stand vor einigen Jahren zum Verkauf. Und so handelten Weeber und sein Team – und die Brennerei bezog kurzerhand auf der Domäne ein neues Zuhause. Wenn auch noch in kleineren Mengen werden seit einiger Zeit unter dem Namen „Monsieur“, dem Namen des ersten Deckbullens auf dem Betrieb, feinster Gin sowie verschiedenste Edeldestillate produziert. Das Besondere an den Produkten ist, dass Mitarbeiterin Alexandra Rau das Streuobst, die verschiedenen Beeren sowie sämtliche Kräuter der vier Kräutergärten in Handarbeit erntet und sortiert – so kommen für den perfekten Geschmack auch nur vollreife Früchte in die Flaschen. Natürlich alles in Bio-Qualität.

Nach alter Tradition wird feiner Gin in der hofeigenen Destillerie hergestellt
Nach alter Tradition wird feiner Gin in der hofeigenen Destillerie hergestellt

„Es wird auf Dauer nur funktionieren, wenn Verbraucher lokal kaufen und die Landwirte damit unterstützen.“

Doch nicht nur die Arbeit rund um die Brennerei, auch die Betreuung der Besucher wie Schulklassen und Privatpersonen übernimmt die ausgebildete Bauernhof-Pädagogin. „Es ist unglaublich zu sehen, wie die Kinder, aber auch die Erwachsenen aufblühen“, erzählt Rau: „Wir möchten den Verbrauchern Einblicke in die tägliche Arbeit der Landwirte geben und ihnen zeigen, was einen Bio-Betrieb ausmacht. Nur so können sie anschließend auch eigenverantwortlich entscheiden, was sie kaufen – und erkennen, warum Bio-Produkte wertvoller, aber eben auch teurer sind.“

Dies ist auch für Weeber „der einzige Weg für die Zukunft. Die Sichtweise auf die Zusammenhänge in der Natur muss sich grundlegend ändern“, erklärt er: „Wir müssen nicht die Natur bezwingen, um ihr eine Ernte abzuringen. Vielmehr sind wir auf Dauer die Bittsteller, die, wenn wir es richtig anstellen, Jahr für Jahr eine gute und gesunde Ernte einholen können und damit unsere Lebensgrundlage erhalten.“

Schon gewusst?

Drei Schritte für den perfekten Gin

Um Gin herzustellen, braucht es zunächst einen Grundstoff: den Neutral-Alkohol. Die meisten Gins basieren auf Grundlage von Getreide oder Kartoffeln. Hinzu kommen die sogenannten Botanicals. Neben Wacholderbeeren, die Zutat eines jeden Gins, können auch Fruchtschalen, Beeren, Gewürze, Kräuter, aber auch Rinden, Samen und Wurzeln hinzugefügt werden. Im letzten Schritt wird der Gin destilliert und mit den Botanicals verfeinert. Übrigens: Für die Herstellung wurde früher gerne die Badewanne benutzt, in der der Alkohol einfach mit den Botanicals zur Mazeration eingelegt wurde.

Kampagne #wirzeigenHaltung

Gemeinsam mit PROVIEH fordert der Öko-Verband Naturland von Politiker:innen von SPD, FDP und Die Grünen eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung und den Umbau der Nutztierhaltung in der nächsten Legislaturperiode anzuschieben. Dazu wurde die Kampagne #wirzeigenHaltung gestartet. Naturland ist überzeugt, dass eine Kennzeichnung von tierischen Produkten dann funktioniert, wenn sie verpflichtend ist. Jede Produktpackung muss zeigen, wie die Tiere für dieses Produkt gehalten wurden. Die erfolgreiche, bei den Verbraucher:innen etablierte Eierkennzeichnung zeigt, dass ein solches Modell funktionieren kann und zur Etablierung höherer Tierwohlstandards durch informierte Einkaufsentscheidungen eine große Wirkung entfalten kann.

Die Kuh ist kein Klimakiller

Kühe gelten wegen ihres Methanausstoßes als Klimabelastung in der Landwirtschaft. Doch das schlechte Image der Kuh stimmt so nicht ganz – und ist stark von der Haltung abhängig. So wird zwar bei der Tierhaltung das klimaschädliche Treibhausgas Methan freigesetzt, das zehn- bis zwanzigmal schädlicher ist als Kohlenstoffdioxid. Methan wird jedoch innerhalb weniger Jahre abgebaut – CO2 bleibt hingegen Jahrtausende in der Atmosphäre und muss deshalb aktiv gebunden werden. Kühe können sogar einen positiven Effekt auf ihre Umwelt haben – vorausgesetzt, sie werden richtig gehalten. Kühe in Weidehaltung halten das Gras kurz, sie regen die Pflanzen zum Wachsen an, mehr Humus gelangt in den Boden und damit mehr Kohlenstoff. Das Grasland zählt neben Feuchtgebieten und Mooren zu den größten CO2-Speichern. Erst dann folgen Wälder und Ackerland.

Bio auf dem Vormarsch

Bio scheint in aller Munde zu sein. Doch welche Rolle spielt die ökologische Lebensmittelwirtschaft tatsächlich? Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) gab es in Deutschland Stand 2020 insgesamt 35.413 Bio-Höfe, die zusammen eine Ackerfläche von 1.698.764 Hektar ökologisch bewirtschaften. 2020 lag der Bio-Umsatz in Deutschland knapp 22 Prozent über dem des Vorjahres – Tendenz steigend. Allerdings machten Bio-Produkte 2019 lediglich 6,4 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Den höchsten Bio-Anteil in Europa gab es in Luxemburg mit 18 Prozent Umsatzanteil, gefolgt von Frankreich mit 13 Prozent. Dabei kaufen die Kunden ihre Bio-Ware am liebsten im Lebensmitteleinzelhandel, gefolgt von Naturkostfachgeschäften, Wochenmärkten, Hofläden und Co.